Historisches um die Bastei im Stadtpark zu Taucha
26. Juli 2015 | Von admin | Kategorie: Kultur, News, StadtentwicklungAm Samstag, dem 18. Juli 2015 wurde mit einem kleinen Richtfest die im Stadtpark gelegene Bastei oder auch Sängerterrasse nach jahrzehntelangem Dornröschschlaf von den Rolandsbrüdern wieder hergestellt. (Wir berichteten)
Viele Besucher, Zugezogene, so wie auch der Berichterstatter und jüngere Tauchaer fragten sich, was es mit der Bastei auf sich hat.Das Online-Magazin fragte beim Vorsitzenden des Schlossvereins, Jürgen Ullrich, nach und wurde fündig. Der Hobby-Historiker hat dazu einige Details ausfindig gemacht (obwohl zahlreiche Unterlagen aus der Entstehungszeit des Stadtparkes nicht mehr auffindbar sind), die wir hier gerne zur Kenntnis geben möchten:
Unser Stadtpark ist – landschaftsgestalterisch betrachtet – ein sogenannter Landschaftspark, der in den Jahren 1895 – 1904 angelegt worden ist.
Ab 1909 kamen durch Spenden und Stiftungen seltene Ziersträucher und Laubbäume, Gruppen von Blautannen, Eichen und Birken zum bis dahin rechts einseitigen Kiefern- und Fichtenbestand hinzu.
In diese Zeit fällt auch die Anlage verschiedener Elemente wie Aussichtsturm, Sängerkanzel, Rosengarten, vier Denkmäler (König-Albert-Denkmal, Bismarck-Denkmal, Jahn-Denkmal und das Denkmal des Deutschen Handlungs-Gehilfen-Verbandes) und … so auch die Bastion. So wurde nämlich die Bastei eigentlich bezeichnet! Manchmal wird die Bastei aber auch als Sängerkanzel bezeichnet, sicherlich vom Volksmund geprägt und im ursächlichen Zusammenhang damit stehend, dass bereits in früheren Zeiten hier Chorkonzerte und andere Musikaufführungen stattfanden.
Die Bastion oder Bastei wurde damals als massive Pergola gebaut.
Die Materialzusammenstellung kann als sehr kurios bezeichnet werden: Holzauflagen aus Fichte, historisch geschliffene Granitsäulen, grau geputzte gemauerte Nischen im Sockelbereich und nach Süden angeblendete Quarzporphyr-Steine – naja, so würde heute kein Gestaltungsvorschlag mehr durchgehen. Aber das war wohl der damalige Zeitgeschmack.
In jeder zweiten Nische befanden sich Bänke ohne Lehne, die auf Sockeln aus Muschel-Kalkstein ruhten. Die freigebliebenen Nischen ermöglichten ein direktes Herantreten an die Mauer und durch den damals noch niedrigen Bewuchs einen freien Blick hinunter in die Parthenaue.
Interessant ist die Geschichte der 18 Säulen, die von dem ehemalischen Tauchaer Bürger Paul Köhler, der als Kaufmann in Berlin lebte, gestiftet wurden:
Die Säulen wurden aus Birbo-Granit gefertigt, eine seltene Granitart, die aus Mittelschweden stammt. Charakteristisch für den Granit ist die rotbraune Färbung (Kalifeldspat) sowie die grünen bis grünbraunen Flecken (Chlorid).
Oft wird auch heute noch erzählt, Paul Köhler habe die Säulen extra für Taucha in Schweden bestellt. Stimmt allerdings nicht. Dennoch ist die wahre Herkunft der Säulen ebenfalls sehr interessant. Sie stammen nämlich aus dem Abbruch eines gräflich-schwerinischen Schlosses in Berlin. Dort hatte sie Köhler erworben. Er ließ die Säulen per Bahn und zu seinen Lasten nach Taucha transportieren, wo sie am 18. Mai 1906 (Achtung: Jubiläum in 2016!!!) eintrafen und unter reger Anteilnahme der Bevölkerung und der offiziellen Vertreter der Stadt “begrüßt” wurden.
Soweit die Informationen zur wiedererstrahlten Bastei. Danke, lieber Jürgen!
Jürgen Ullrich schilderte in diesem Zusammenhang noch eine kleine Begebenheit aus der Geschichte des Stadtparkes:
Ganz interessant ist auch, dass es im Stadtpark früher Gartenstühle gab. Das waren Stühle aus einem Metallgestell mit Holzlattenauflage, zusammenklappbar und auch heute noch oft in kleineren Biergärten und auf Freisitzen in Gartenanlagen anzutreffen.
Im Park gab es etwa 200 dieser Stühle, allesamt hübsch an 3 Stellen gestapelt. Fand nun ein Konzert statt, konnte man sich einen solchen Stuhl holen, um einen Sitzplatz zu haben. Und jetzt kommt´s: Nach dem Konzert war es ganz selbstverständlich, dass Jeder seinen Stuhl wieder zurück trug und ordentlich abstellte. Könnte man sich das heute auch vorstellen? Damals herrschte jedenfalls noch kaiserlich-königliche Zucht und Ordnung …
Text: Jürgen Ullrich. Fotos Reinhard Rädler