Tauchas Nachtwächtertour auf Kirchgang
8. Oktober 2012 | Von Reinhard Rädler | Kategorie: Kultur, NewsEs wurde ein Nachtwächterrundgang am Tage. Genau genommen war es sogar ein Kirchgang, zu dem der Kunst- und Kulturverein Taucha eingeladen hatte und zu dem am Samstag, nun schon traditionell, Johann Christoph Meißner, alias Jürgen Ullrich, die Gäste mit auf Tour nahm. Zuvor baute er einige Legenden um den Nachtwächter ab: Etwa diese, dass der gar nicht “Hört ihr Leute, lasst euch sagen…” gesungen hat. Besagten Johann Christoph Meißner gab es um 1530 wirklich. Er hatte ein Häuschen in der Neustadt, was heute Tauchas Altstadt ist, mit einem 12 qm großen oder kleinen Garten. Er sorgte 49 Jahre für die Sicherheit Tauchas zur Nachtzeit und wenn er irgendwo eine vergessene Kerze brennen sah, durfte er sogar die Häuser betreten. Zum Beweis, dass er Nachtens im Hause war, machte er ein Kreidekreuz auf den Tisch. Für seine Umsichtigkeit spendierten ihm die Tauchaer im Gasthaus “Goldener Löwe” zum Dienstschluss meist ein Bier.
Die St.-Moritz-Kirche zu Taucha war diesmal der Schwerpunkt des Rundganges. KuKuTa-Vorsitzender Jürgen Rüstau hatte sogar die Schlüsselgewalt über die Kirche und ließ vor den Gästen Birgit Hampel, Studentin für Kirchenmusik und Vertreterin des Kantors der hiesigen ev.-luth. Kirchgemeinde ein, damit die Teilnehmer eine Orgelprobe an der zweimanualigen Orgel mit 18 Registern und 1200 Pfeifen lauschen konnten. Es erklang das “Präludium und Fuge in G-Dur” von Johann Sebastian Bach. Die Orgel stand vorher in einer Nürnberger Kirche und wurde 1996, dank großzügiger Spenden, nach einer Modifizierung durch die Orgelbaufirma Eule aus Bautzen mit einem Kostenaufwand von etwa 200.000 DM eingebaut. Überhaupt wurde in den letzten 100 Jahren sehr viel an der Tauchaer Kirche, deren Geschichte auf das Jahr 1220 zurückgeht, gebaut. 1911 bekam die Kirche neues Gestühl, eine Heizung, einen Taufstein (aus Holz) und eine Orgel. In den Jahren 2009 bis 2011 musste der Turm, an dem sich starke Risse zeigten, saniert werden. Mit dem leuchtend hellen Putz und der neuen Turmverkleidung prägt sie weithin sichtbar Tauchas Stadtbild. Sie ist von der Aussichtsplattform des Völkerschlachtdenkmals ein markanter Orientierungspunkt.
Jürgen Ullrich erläuterte Details der ansonsten eher nüchternen Inneneinrichtung: Die Fenstermalerei zum Beispiel, die u.a. Luther mit einer verkehrt herum gehaltenen Bibel und auch seine spätere Ehefrau Katharina von Bora zeigt, deren Großeltern vermutlich in Taucha lebten, wusste aber auch, dass ein schwedischer Soldat auf einem Fensterbild statt einer blauen, eine rote Schärpe trug. Gleichermaßen schärfte er den Blick auf die zwei Kronleuchter im Altarraum, bei denen man erst auf den zweiten Blick sieht, dass sie von unterschiedlicher Bauart sind, was einem Absturz eines Leuchters im Jahre 1909 geschuldet und dass bei dessen Neubeschaffung kein baugleicher mehr aufzutreiben war. Mit diesen und andere Besonderheiten, gemixt mit historischen Fakten, verging ein äußerst unterhaltsamer Spätnachmittag, bei dem draußen nasskaltes und stürmisches Herbstwetter herrschte, so dass man, nicht nur wegen des Wetters, in der Kirche gut aufgehoben war.
Bericht IVT. Text und Fotos: Reinhard Rädler