Tauchaer Wanderbursche nach drei Jahren wieder zu Hause

16. August 2012 | Von | Kategorie: Allgemein, News

Drei Jahre, drei Monate und drei Tage war Christian Kleine nicht mehr in Taucha. Der Grund? Er war als Rolandsbruder “auf der Walz”. Die Rolandsbrüder gehören zur “Zunft reisender Bauhandwerker”, deren Gründung als “Rolandsschacht” im Jahre 1891 erfolgte. Schon seit seiner Kindheit hatte er den Wunsch, wenn er einen Wandergesellen sah, genauso durch die Lande zu ziehen. Als er dann in der “Dekor- und Putz GmbH” in Leipzig den Beruf eines Dachdeckers erlernte, festigte sich sein Wille, so dass er alsbald einen erfahrenen Rolandsbruder, den Werner Kirscht aus Taucha, aufsuchte und sich von ihm Tipps holte. Der 78-jährige war 1955 selbst als Tippelbruder auf Achse und konnte viel von seinen Erfahrungen berichten. Als er seiner Mutter seinen Entschluss mitteilte staunte sie, denn “Ich hätte nie gedacht, dass Christian so etwas auf sich nimmt, ich kenne ihn eher als zurückhaltend”, wundert sich seine Mama Bärbel Kleine heute noch. Auch sein ehemaliger Lehrmeister, “Hans” Mario Sobotta, staunte nicht schlecht und hätte ihm das genauso wenig zugetraut. “Aber ich kann es nicht hoch genug schätzen, dass so eine Handwerkertradition noch gepflegt wird. Ich habe 17 Lehrlinge ausgebildet, aber nur einer ist losgewandert”.

Am 8. Mai 2009 verließ Christian Kleine Taucha, um erst sich erst einmal an der Seite eines “Exportgesellen” mit den Sitten und Gebräuchen der Rolandsbrüder bekannt zu machen, um dann endlich als “fremder Rolandsbruder” alleine loszuziehen. 15 Länder hat er in den reichlich drei Jahren gesehen, kennt nun Deutschland von Nord bis Süd und seine Nachbarstaaten, war in Rumänien, aber auch in Namibia, Botswana, Thailand, Laos und Südafrika. Näher, als 60km durfte er sich nicht seiner Heimat nähern. Das Finden einer Arbeitsmöglichkeit war nicht immer einfach, schließlich wollte man eine ordentliche Anstellung haben, “Schwarzarbeit” kam nicht in Frage. Das hätte gegen den Ehrencodex verstoßen.
Zwischenzeitlich traf man sich unterwegs immer mal mit Gleichgesinnten, mit denen Christian Kleine dann zusammen auf der Walz war. Am Häufigsten war er mit dem Schweizer Christian Schryber zusammen, mit dem er in Rumänien eine Scheune und in Thailand eine Terrasse gebaut oder in Laos für den deutschen Entwicklungsdienst tätig war. Die gemeinsam überstandenen Abenteuer in den fremden Kulturen schweißten zusammen. So war es auch fast selbstverständlich, dass er ihn auf den letzten Kilometern bis nach Taucha begleitet hat. Am 4. August machte Christian Kleine in Stuttgart die “Einheimischmeldung”, bekam hier die Zunftutensilien eines Rolandsbruders: Das Einwanderungsband, die gehäkelte Ehrbarkeit (ähnlich einem Schlips), die Zunftpfeife und den Stammseidel.Am 10. August 2012 traf dann Christian Kleine kurz nach 16 Uhr , gemeinsam seinem eidgenössischer Freund sowie den Wanderburschen Lukas aus Hilden, Dennis aus Rottweil und Nick aus Kulmbach aus Richtung Schwarzer Berg kommend in der Eilenburger Straße in Taucha ein.

So, wie er Taucha verlassen hatte – mit Überklettern des Ortsschildes – kehrte er in seine Heimatstadt zurück: Zuerst flog der “Stenz”, der gewundene Wanderstock, dann das “Charlottenburger” genannte Bündel mit seinen Habseligkeiten über das Verkehrsschild, schließlich wurde der frischgebackene “einheimische Rolandsbruder”, wie er sich nun nennen darf, von seinen Wegbegleitern der letzten Kilometer auf das Schild gehievt, von seiner Mutter, seiner Familie, seiner Freundin Michelle, Schulkameraden und ehemaligen Wandergesellen aus der Region, herzlich begrüßt. “Ich habe heute ein besseres Gefühl, als vor drei Jahren”, sagte Mama Bärbel Kleine angesichts der wiederkehrenden Kletterpartie. “Dreimal habe ich ihn in den drei Jahren besucht, hin und wieder haben wir auch mal telefoniert, es gab leider nicht so viele Lebenszeichen”.
Nun wird Christian Klein erst einmal seine Heimat etwas neu entdecken, denn etliches kennt er nur von Zeitungsausschnitten. “Die drei Jahre haben mir sehr viel gebracht”, zieht der Wanderbursche ein erstes Resümee. “Ich habe die Welt gesehen und viele persönliche wie berufliche Erfahrungen machen können. Es war aber nicht immer einfach, sich allein in der Welt zu behaupten. Es war meine größte Herausforderung bisher, doch ich bereue keinen Tag”.
Bericht IVT. Text und Fotos: Reinhard Rädler

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