König der Nebenrollen gestorben

11. April 2020 | Von | Kategorie: Aktuelles, Kultur

schwill_buchAm 19.10.2010 war der „König der Nebenrollen“, Ernst-Georg Schwill Gast, der 24. Blauen Stunde im Café Esprit. ZehnTage nach seinem 81. Geburtstag ist er am 7. April 2020 an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.
In einer launigen Runde gab er damals etliche Episoden zum besten. An seiner Seite damals Ehefrau Anke. Gut, dass er sie dabei hatte, denn eine Viertelstunde vor Veranstaltungsbeginn sagte sie plötzlich „Schwille“, so sagt sie immer zu ihm, „wenn du heute aus deinem Buch lesen willst, dann musst du es aber noch aus dem Auto holen!“ Er hatte es tatsächlich nicht dabei…

Das Online-Magazin war mit dabei und berichtete:

Amüsante Blaue Stunde mit Schauspieler Ernst-Georg Schwill
Zur 24. Auflage der Blauen Stunde des Kunst- und Kulturvereins Taucha (KuKuTa) war mit Ernst Georg Schwill ein Schauspieler zu Gast, der dem ehemaligen Filmstudio der DDR (DEFA) ein Gesicht gegeben hat. Spielte er doch den Rainer Meister in Heiner Carows antifaschistischen Film “Sie nannten ihn Amigo” (1958).
schwill_buch_TobiasSeine Erinnerungen an die diese frühen Jahre der DEFA, aber auch rein private Episoden hat er inzwischen in seinem Buch “Is doch keene Frage nich” nieder geschrieben. Das Buch ist autobiografisch, “da ist nichts dazu gedichtet” und er hat es auch noch mit der Hand geschrieben, wie er dem erstaunten Moderator Tobias Meier erzählte. Mit den technischen Dingen hätte er nichts am Hut. Seine Frau, die er mehrfach erwähnte, hat das Buch dann mit dem Computer geschrieben.
Auf die Frage wie er dazu gekommen ist ein Buch zu schreiben entgegnete er in seinem typischen Berliner Dialekt: “Freunde sagten mir bei ‘ner Tasse Molle (Bier): Schreib doch alles uff”. Einen weiteren Anstoss dazu gab ihm sein Kollege Edgar Kühlow. Dann las er auch einige lustige Episoden aus dem Buch und erheiterte damit die Zuschauer im vollem cafe esprit, obwohl die (Hinterhof-) Geschichten in der schweren Nackriegszeit spielten.
Zum Lesen benutzte er übrigens einen Lesehalter, den hätte er mal bei einem Trödelmarkt in Magdeburg erworben. Auf die Frage wie er überhaupt zur DEFA gekommen sei, erzählte Schwill, dass Leute von der DEFA eines Tages in das Kinderheim kamen, wo er nach dem Tod seiner Eltern und einer gewissen Zeit bei seiner Tante und Onkel hin kam. Aber dann musste er in ein anderes Heim “für Schwererziehbare” umziehen, wie er freimütig bekannte. Da hat er dann einen “Bettelbrief” an die DEFA geschrieben, der sich noch heute in den DEAFA-Analen befindet und von dem Schwill den erstaunten Gästen im E eine Kopie zeigte. Während seiner Studentenzeit hat er dann seine ersten Kinofilme gedreht, u.a. “Ecke Schönhauser” mit Ekkehard Schall. Zu den damaligen Produktionen sagte er: “Früher gab es bei den Filmen keine finanziellen Zwänge”, da ging es noch um Kunst.
Nach der Wende hat sich dann Ernst-Georg Schwill gleich eine Agentur gesucht und war sich auch nicht zu schade, kleine Rollen zu spielen. Die sind dann zu seinem Markenzeichen geworden. Seit 10 Jahren spielt er im RBB-Tatort den Assistenten Lutz Weber und er hat auch schon in der mdr-Arztserie “In aller Freundschaft” mitgespielt. Selbst einem Taxifahrer in “Good bye Lenin” gab er ein Gesicht.
Dazu sagte der “König der Nebenrollen”, wie Schwill heute bezeichnet wird: “Wenn ich die kleinen Rollen nicht spiele, machen es andere aber schlechter”. Auf die Frage von Tobias Meier ob er bei seiner Tatort-Rolle auch ein Mitspracherecht bei den Texten hätte entgegnete er: “Das haben nur die Hauptdarsteller, ich als Nebendarsteller kann nur etwas berlinerisch rumfummeln.” Kritisch setzte er sich dazu mit den eigenen RBB-Tatorten auseinander, wo seiner Meinung nach die gesellschaftlichen Verhältnisse zu wenig reflektiert werden. “Ich bin zwar aufsässig, aber nicht doof” resümierte er vielsagend über seine Arbeit mit den heutigen Regisseuren.
Zu seinen zukünftigen Plänen sagte der 71-jährige Schwill”: Theater will ich nicht mehr spielen, aber noch Lesungen geben”. Inzwischen hat er ein zweites Buch fertig und beim Verlag abgegeben.
Bericht IVT. Text und Foto: Matthias Kudra

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