Eine kurzweilige Blaue Stunde mit Jens Weißflog
11. September 2015 | Von Reinhard Rädler | Kategorie: Kultur, News, SportZu einer sportlichen „Blauen Stunde“ war die Skisprung-Legende Jens Weißflog zu Gast im Café Esprit. Die am 12. Mai geplante Veranstaltung musste damals ausfallen, da der Gast aus dem Erzgebirge bei der Anfahrt in einen Unfall verwickelt war (“Nur Blechschaden”). Der „Floh vom Fichtelberg“, wie er wegen seiner schmalen Statur auch genannt wurde, ist Deutschlands erfolgreichster Skispringer. Er gewann drei olympische Goldmedaillen und er ist einer von weltweit nur vier Ski-Springern, der alle wichtigen Wettbewerbe (Olympia, Weltmeisterschaft, Gesamtweltcup) gewinnen konnte.
Taucha kennt Weißflog nur von der Durchfahrt nach Eilenburg, wo er 1999 Gast an der neu errichteten Sprungschanze war. Noch nördlicher, als die Schanze in Tauchas Nachbarstadt, liegt übrigens das Schanzenzentrum am Papengrund in Bad Freienwalde, nordöstlich von Berlin.
Mit Moderator Roman Knoblauch hatte Weiußflog quasi einen Kollegen an seiner Seite, denn der Radiomann war selbst als Nordisch Kombinierter und Langläufer bis 1988 leistungssportlich aktiv. Ausgangspunkt des Gespräches war Weißflogs Buch „Weissflog – Geschichten meines Lebens“, das der österreichische Sportjournalist Egon Theiner nach seinen Schilderungen für ihn aufgeschrieben hat. „Ein ehrliches Buch“, wie Roman Knoblauch meinte. Er habe lange gezögert, seine Lebensgeschichte in einem Buch zu veröffentlichen, denn er „wollte nicht auf dem Ramschtisch der Biografien“ landen. „Und warum jetzt doch?“, fragte der Moderator. „Das Alter – Wenn ich 60 bin, kennt mich vielleicht kaum noch jemand“, so der 51-Jährige. Im Buch erfährt der Leser von seinen Anfängen als Skispringer in Pöhla und Oberwiesenthal und er beschreibt seinen anstrengenden Weg zur Weltspitze und auch die schweren Momente seiner Karriere, als die Erwartungshaltung und der Leistungsdruck immer größer wurden.
Erstaunlich die Lockerheit und sein Redefluss im Esprit beim Erzählen seiner Geschichten („ich habe da noch eine Episode“), denn als Co-Kommentator bei den Skisprung-Übertragungen im Fernsehen, war davon eher wenig zu merken. Er spricht von seiner Lieblingsschanze in Garmisch und der Problemschanze in Bischofshofen und seinem ersten Skiflug von der Großschanze im norwegischen Vikersund und schildert, wie ihm bei seinem ersten Skiflug zumute war. „Man merkt schon, welche enormen Kräfte wirken, wenn man nur die flache Hand beim 100km/h aus dem Autofenster hält. Bei den 2,50 Meter langen und elf Zentimeter breiten Ski erhöht sich das um ein Vielfaches und dabei muss man auch den Flug unter Kontrolle halten“, erinnert er sich. Seitdem er aus 12 Metern Höhe auf den Bakken in Harrachov gestützt war, weiß er auch aus eigener Erfahrung: „Der Traum vom Fliegen geht anders“.
Interessant und amüsant auch seine Schilderungen, dass er mit den gewonnenen Sachpreisen durchaus einen Haushalt-Elektrohandel hätte aufmachen können. So durfte er aus Lahti zum Beispiel zwei Mikrowellen mit nach Hause nehmen. Als er eine Videokamera gewann, bekam er allerdings Probleme mit dem Zoll und dem DTSB.
In der Wendezeit musste er sich auf zwei Systemwechsel einstellen: Zum einen auf die politische Wende, die auch eine Neuausrichtung im Sportsystem bedeutete, aber auch im Sportlichen, denn hier musste er sich auf einen neuen Sprungstil einstellen. Die Weltelite begann sich gerade vom Parallel- auf den V-Stil umzustellen. Nach anfänglichen Misserfolgen, bei denen er sogar ans Aufhören dachte, beendete er mit seinem vierten Gewinn der Vierschanzentournee 1996 seine sportliche Karriere.
Heute ist Weißflog Hotelier in seinem Appartement-Hotel in Oberwiesenthal, dass er 1995 um- und ausgebaut hatte. Das Haus mit seinen 22 Beschäftigten ist gut ausgelastet, in den Winterferien bucht man sogar schon für das Jahr 2018. Hier ist Jens Weißflog oft anzutreffen, ob in der Rezeption oder beim monatlichen „Kaffeeklatsch“.
Bericht IVT. Text und Fotos: Reinhard Rädler